Anni Gräf

Schneiderin. Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime. Hingerichtet

* 1925    † 1944

 

Lebenslauf

Anna Gräf wurde am 28. März 1925 in Wien geboren. Sie wuchs in Favoriten auf und erlernte das Schneiderhandwerk. Die Gesellenprüfung konnte sie nicht machen, weil sie drei Wochen davor, am 14. November 1942, festgenommen wurde. Sie ist die jüngste Widerstandskämpferin, die im Landesgericht I hingerichtet worden ist.

Kommunistischer Jugendverband

Anna Gräf trat bereits im Alter von 15 Jahren dem kommunistischen Jugendverband bei. Sie machte auf sich vorab durch ein rotes Halstuch aufmerksam, das ihre politische Gesinnung demonstrieren sollte. Ihr Aufgabenbereich war weit gefächert. Sie agierte organisatorisch, hielt Kontakt zu KJV-Gruppen.

Die Widerstandsgruppe "Soldatenrat"

Insbesondere war sie auch an der Sammlung von Feldpostschriften und dem Versand der Druckschrift “Der Soldatenrat” beteiligt. Am Höhepunkt des deutschen Vormarsches in der UdSSR wurde das vom Wiener Chemiestudenten Walter Kämpf entworfene Flugblatt "Hitler hat den Krieg schon verloren" verschickt. Hierbei wurden Angehörige der Wehrmacht aufgefordert, zu desertieren. Dies alles passierte unter der Ägide der Widerstandsgruppe “Soldatenrat”, der sich Anna Gräf als jüngstes Mitglied angeschlossen hatte. 13 Mitglieder des “Soldatenrat” fielen der NS-Justiz zum Opfer und wurden hingerichtet. Diese Widerstandsgruppe wurde vom Sanitätsunteroffizier Alfred Rabofsky geleitet, der unter den 13 Opfern war.

Anna Gräf an ihre Mutter sowie ihre Schwester und Familie, v. 20.6.1943 (Auszug)

"Meine liebe Mama! Am Anfang viele Grüße und Busserln von deiner Kleinen. Wie geht es dir denn, bist du gesund? Habe den Brief und die Karte dankend erhalten. Schreibe mir gleich immer, denn das ist die einzige Freude, Post von zuhause zu bekommen. Liebe Mama, ich habe einen Wunschzettel geschrieben, ich möchte dich gerne wieder einmal sehen, gehe halt auch hin und frage nach. (damit meint sie, dass ihre Mutter auch zum zuständigen Ermittlungsrichter gehen soll, damit sie eine Sprecherlaubnis erhält) Mir geht es gut, wie es einem herinnen geht. Mach dir keine Sorgen, alles geht vorbei, kränke dich nicht, liebes Mütterlein..."

Quelle: Lisl Rizy, Willi Weinert, „Mein Kopf wird euch auch nicht retten“. Korrespondenzen österreichischer WiderstandskämpferInnen aus der Haft. Band 1, Seite 512. Wiener Stern Verlag 2016

Anni Gräf

Anna Gräf, Gestapo-Bilder

Todesurteil und Hinrichtung

Anna Gräf war vom Volksgerichtshof “Vorbereitung zum Hochverrat” vorgeworfen worden. Sie hatte sich in der Verhandlung gemeinsam mit Leopoldina Sicka, Franz Sikuta und Karl Gregor Mann zu verantworten. Alle Angeklagten wurden zum Tode verurteilt.

Anna Gräf wurde im Alter von nicht einmal 19 Jahren am 11. Jänner 1944 im Landesgericht I in Wien hingerichtet.

Aus dem Urteil

“Bald darauf erhielt sie von dieser eine Liste mit verschiedenen, meist Feldpostanschriften, an die sie bis zum März 1942 dreimal je etwa 25 Stück Propagandamaterial und zwar die so genannte “Russlandkarte” und mehrere Nummern des so genannten “Soldatenrat” schickte (…) Alle Angeklagten haben (…) ihre Tat mit jugendlicher Unüberlegtheit, die weiblichen Angeklagten Sicka und Gräf überdies mit ihrer Liebe zu (Karl) Brzica zu entschuldigen gesucht. Es ist zwar richtig, dass alle Angeklagten zu Tatbeginn, die Angeklagten Gräf und Mann sogar bei Beendigung ihrer verbrecherischen Tätigkeit, noch jugendlich gewesen sind. Man könnte ihnen ihre Jugend zugute halten, wenn es sich um eine einmalige Entgleisung handeln würde, zu der sie durch Unüberlegtheit oder mangelnden Einblick in die bestehenden Zusammenhänge veranlasst worden wären. Bei allen Angeklagten handelte es sich indes keineswegs um eine einzeln dastehende, durch einen zufälligen Anlass äußerer oder innerer Art hervorgerufenen abgeschlossenen Tat, sondern um eine fortgesetzte, aus vielen Teilhandlungen bestehende, einheitliche, bei jeder sich bietenden Gelegenheit durch neuen Willensimpuls vorangetriebene Funktionärstätigkeit. (…) Das raffinierte und die Illegalität stets beachtende Vorgehen der Angeklagten zeigt, mit welcher Überlegung sie zu Werke gegangen sind und wie unentwegt sie ihr Ziel im Auge behalten haben. Zu dessen Erreichung war ihnen jedes Mittel recht, von der immer wiederholten Einflussnahme auf Gleichgesinnte im Sinne ihrer Bestrebung über die Verteilung von Flugschriften an Außenstehende bis zur Zersetzung der kämpfenden Front und zur Terrorisierung der Heimat durch Brandanschläge.”

Gedenkort - Landesgericht für Strafsachen Wien

Im ehemaligen Hinrichtungsraum des Landesgericht für Strafsachen Wien findet sich ihr Name auf einer der Gedenktafeln.

Gedenkort - Gruppe 40, Zentralfriedhof

In der Gruppe 40 wurden die im Wiener Landesgericht Hingerichteten beerdigt. 2013 wurde die Gruppe 40 zur Nationalen Gedenkstätte erklärt.

Quellen und Bildnachweise

  • Willi Weinert, "Mich könnt ihr löschen, aber nicht das Feuer". 4. Auflage Wiener Stern Verlag, 2017
  • Lisl Rizy, Willi Weinert, „Mein Kopf wird euch auch nicht retten“. Korrespondenzen österreichischer WiderstandskämpferInnen aus der Haft. 4 Bände. Wiener Stern Verlag 2016
  • Porträtbild: Willi Weinert oder Wiener Stern Verlag
  • Bild Fallbeil/Guillotine: Leihgeber Kurt Brazda
  • Andere Bildrechte: Angabe bei Anklicken des Bildes (Bildinformation)
  • Andere Bilder: Privatbesitz oder Verein Zur Erinnerung
  • DÖW: Die Widerstandsgruppe “Soldatenrat”
  • "Die Vollstreckung verlief ohne Besonderheiten" - Hinrichtungen in Wien 1938 bis 1945, hg. von Brigitte Bailer, Wolfgang Maderthaner und Kurt Scholz

Hauptwerke zur Gruppe 40

Weiterführende Informationen

  • DÖW Katalog zur permanenten Ausstellung. Hg. v. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, Wien 2006
  • Wolfgang Neugebauer, Der österreichische Widerstand 1938-1945, Wien 2008
  • Die Geschichte des Grauen Hauses und die österreichische Gerichtsbarkeit, Wien 2012
  • DÖW (Hg.) Widerstand und Verfolgungen in den österreichischen Bundesländern (Wien, Burgenland, Oberösterreich, Tirol, Niederösterreich, Salzburg), Wien 1975-1991
  • Heinz Arnberger, Claudia Kuretsidis-Haider (Hg.) Gedenken und Mahnen in Niederösterreich. Erinnerungszeichen zu Widerstand und Verfolgung, Exil, Befreiung, Wien 2011
  • Brigitte Bailer, Wolfgang Maderthaner, Kurt Scholz (Hg.), „Die Vollstreckung verlief ohne Besonderheiten“, Wien
  • Herbert Steiner, Gestorben für Österreich. Widerstand gegen Hitler. Eine Dokumentation, Wien 1995
  • Herber Steiner, Zum Tode verurteilt: Österreicher gegen Hitler. Eine Dokumentation, Wien 1964

Web-Hinweise


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